„Vor allen Dingen an die Menschen werde ich mich gerne erinnern.“

Nina* hat gerade den Kurs zur beruflichen Entwicklung abgeschlossen – ein guter Zeitpunkt, um den Kurs Revue passieren zu lassen. Wir haben ihr ein paar Fragen zu ihren Eindrücken und Erfahrungen gestellt:

Welche Inhalte haben dir am besten gefallen?

Viele! Mir haben die etwas spielerischen Aufgaben gut gefallen. Zum Beispiel die, in der wir mit fiktiven Freunden eine Tagesreise durch Berlin unternommen haben. Oder die Aufgabe, in der wir als Gruppe herausfinden mussten, wann ein fremdes Volk wohl mit dem Bau seines kultischen Gebäudes fertig wird. Wir haben auch ein Vortragsprojekt gehabt, in dem wir das Thema relativ frei wählen konnten. Am Ende sind für mich sehr interessante Vorträge zu unterschiedlichsten Themen herausgekommen. Eine Gemeinsamkeit war allerdings der Bezug zum Thema Autismus. Spannend fand ich außerdem, das Blatt mit meinen bevorzugten Arbeitsbedingungen immer ein Stück weiter auszufüllen und somit auch immer ein Stück mehr über Autismus allgemein und auch über mich selbst zu erfahren.

Hast du neue Erkenntnisse über dich oder deine berufliche Zukunft gewonnen? Wenn ja, welche?

Ja, einige. Hier sind ein paar davon: Meinen Autismus habe ich vor dem Kurs eher als negativ angesehen. Jetzt denke ich, dass der Autismus auch als Bereicherung gesehen werden kann. Wenigstens in einigen Punkten.  Nur werden einige Seiten des Autismus von einigen Leuten leider nicht so wertgeschätzt, weil in unserer Leistungsgesellschaft Anpassungsfähigkeit, Multitasking und Schnelligkeit oft mehr zählen als Genauigkeit, Fachwissen und Integrität, so habe ich manchmal den Eindruck. Und Autisten können durchaus Leistung bringen, wenn die richtigen Bedingungen für sie geschaffen werden. Und durchaus teamfähig sein. Wenn man etwas (noch) nicht kann, heißt das nicht, dass man es nie können wird. So vieles ist erlernbar! Wie eben auch Teamfähigkeit. Und auch im Erwachsenenalter kann man sich noch weiterentwickeln. Was natürlich nicht heißt, dass das Leben immer leicht ist. Krisen gehören dazu. Es ist nur wichtig, nicht aufzugeben. Auch wenn das leichter gesagt als getan ist.

Was war die größte Herausforderung für dich in den 8 Kurswochen?

Ich glaube, eine der größten Herausforderungen war es für mich, einen guten Kompromiss zu finden zwischen der Anpassung an die Gruppe einerseits und der Erfüllung meiner persönlichen Bedürfnisse andererseits.

Woran aus der Kurszeit wirst du dich gerne erinnern?

Vor allen Dingen an die Menschen werde ich mich gerne erinnern. Wir Kursteilnehmer haben uns untereinander gut verstanden. Wahrscheinlich hatte ich auch Glück. Mit einer Teilnehmerin bin ich sogar täglich zu Diversicon und wieder nach Hause gefahren. Ich fand das toll, habe mich aber gefragt, ob ich sie vielleicht gelangweilt habe und sie nur aus Höflichkeit mitgefahren ist. Aber sie fand es auch schön. Da war ich sehr gerührt, weil ich so etwas vorher wenig erlebt habe. Die Mitarbeiter von Diversicon sind wertschätzend mit uns umgegangen und ich hatte den Eindruck, dass sie sich ehrlich für uns Teilnehmer interessierten.

Wem würdest du den Kurs empfehlen?

Besonders autistischen Menschen – nach der Schule, nach der (abgebrochenen) Ausbildung oder auch mitten im Berufsleben. Und am besten nicht nur denen, die bereits mit Problemen in der Ausbildung / am Arbeitsplatz zu kämpfen haben. Obwohl die es dringender brauchen. Nicht-autistische Menschen könnten aber sicherlich auch von den Kursinhalten profitieren.

Was machst du im Anschluss an den Kurs?

Ich fange an, in einem Berliner Krankenhaus zu arbeiten. Dort werde ich mich um das Archiv, die Patientenakten und die An- und Abmeldung von Personen beim Standesamt kümmern. Das heißt, ich benachrichtige das Standesamt, wenn im Krankenhaus ein Baby geboren wurde oder ein Patient verstorben ist.

Gratulation zur Stelle! Glaubst du, dass dir Inhalte aus dem Kurs in deinem neuen Job nützlich sein werden? Wenn ja, welche?

Danke! Ja, ich glaube schon, dass mir die Inhalte aus dem Kurs im neuen Job nützlich sein werden, z. B., wie man seinen Autismus dem Arbeitgeber erklärt oder mit stressigen Situationen umgeht. Speziell werden denke ich auch die Themen Hierarchien und Kommunikation relevant sein. Denn auch wenn es nicht mehr ganz so stark ist wie früher, aber es gibt nach wie vor eine Hierarchie von Mitarbeitern in einem Krankenhaus. Und bei der Meldung von Personen beim Standesamt werde ich mit Müttern und Vätern sowie Bestattern direkt kommunizieren und mich so auf ganz unterschiedliche Leute einstellen müssen, die oft auch geschafft sind, wie wir alle auch mal einen schlechten Tag haben oder nur wenig Deutsch können.

Nina, wir wünschen dir alles Gute für deine Stelle und freuen uns, dass wir dich im Job-Coaching weiter begleiten dürfen. Vielen Dank für das Interview.

*Zur Wahrung der Privatsphäre unserer Teilnehmerin haben wir den Namen geändert.